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BERUFSHAFTPFLICHT FÜR ARCHITEKTEN & INGENIEURE |
Neuer Gesetzesentwurf soll Verbesserungen bringen
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In Deutschland wird nach wie vor sehr umtriebig gebaut. Nach einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Baugenehmigungen in den ersten 6 Monaten des Jahres 2015 um 2,6% gestiegen. Doch ein Bauvorhaben birgt nicht nur für die Bauherren zahlreiche Stolperfallen und Gefahren. Durch die gesamtschuldnerische Haftung werden nicht selten auch Architekten und Ingenieure als Planer oder im Zuge der Objektüberwachung in Regress genommen. Ein neues Gesetz soll dies nun zumindest ansatzweise verbessern. Wie sich die geplante Änderung auf die Berufshaftpflicht auswirken wird und wie Haftung im Bauwesen funktioniert, soll nun etwas genauer erklärt werden. |
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Architekten und Ingenieure bei Bauvorhaben
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Die zu erbringenden Leistungen eines Architekten oder Ingenieurs ergeben sich aus dem entsprechenden Architektenvertrag, der mit dem Bauherrn abgeschlossen wird. Nach aktueller Rechtslage gibt es noch keine gesetzlichen Festlegungen in Bezug auf entsprechende Verträge. Die Leistungen sind jedoch sehr detailliert in der Honorarordnung für Architekten- und Ingenieursleistungen (HOAI) aufgeschlüsselt. Nach §34 HOAI existieren bei einem Bauvorhaben folgende Leistungsphasen: |
Leistungsphasen bei Bauvorhaben (§34 HOAI)
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1
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Grundlagenermittlung
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Bedarfsermittlung, Gespräche mit dem Bauherren, Standortanalyse
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2
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Vorplanung
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Erarbeitung eines Planungskonzeptes, Skizzierung, Kostenschätzung
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3
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Entwurfsplanung
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Erstellen eines Entwurfs, Integration der Leistungen anderer Planung, Belastbare Kostenberechnung nach rechtlichen Vorgaben
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4
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Genehmigungsplanung
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Vorbereitung und Einreichung des Bauantrags zzgl. aller erforderlichen Unterlagen
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5
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Ausführungsplanung
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Austausch mit Fachleuten und Planung der einzelnen Aktivitäten.
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6
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Vorbereitung der Vergabe
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Erstellung eines Vergabeterminplans sowie Erstellung und Gegenrechnung in Bezug auf die geplanten Kosten, Erstellung der Vergabeunterlagen
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7
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Mitwirkung bei der Vergabe
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Hilfe bei der Suche nach passenden Bauunternehmen
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8
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Objektüberwachung
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Überwachung der Fortschritte am Bau, Verhinderung von groben Fehlern, Führen eines Bautagebuchs, Auflistung von Gewährleistungspflichten, Kostenkontrolle
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9
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Objektbetreuung
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Objektbegehung und Feststellung von Mängeln
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Der Architekt oder Ingenieur haftet grundsätzlich nur dann, wenn er die im Vertrag festgehaltenen Aufgaben fehlerhaft erledigt hat. Er muss dabei jedoch nicht immer für einen kompletten Auftrag gebucht werden. Gerade die Phasen 8 und 9 werden oft auch anderweitig vergeben. Diese bergen mitunter zusätzliche Haftungsrisiken, weil sie über die eigentliche Planung weit hinausgehen. Oftmals lässt sich gerade bei der Objektüberwachung die Verantwortung für Fehler nicht eindeutig feststellen. |
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Gesamtschuldn. Haftung: Planer und Bauunternehmer
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In der rechtsprechenden Praxis ist der Gedanke der gesamtschuldnerischen Haftung von Planern und Bauunternehmen mittlerweile recht fest verankert. Sofern dem Architekten oder dem Ingenieur eine Mitschuld an Mängeln nachgewiesen werden kann, darf der Bauherr diesen ebenfalls in Regress nehmen. Durch die gesamtschuldnerische Haftung ergeben sich nach §421 BGB sogar noch weitere Besonderheiten: |
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Sowohl die Bauunternehmer als auch der Architekt bleiben bis zur vollständigen Nacherfüllung in der Pflicht. |
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Der Bauherr kann sich den Schuldner aussuchen und diesen auf die Erfüllung der Gesamtforderung verklagen. |
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Der Bauunternehmer und der Architekt müssen sich in Bezug auf die Quotierung der Kosten untereinander einigen. Mit diesen Streitigkeiten hat der Bauherr nichts zu tun. |
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Diese Regelung soll verhindern, dass Bauherren zunächst in kostenintensive Rechtsstreitigkeiten verwickelt werden. Nicht selten operiert eine Familie beim Hausbau beispielsweise sowieso schon am Limit. Darüber hinaus ist so die Gefahr gebannt, dass die Insolvenz des Bauunternehmers die Forderung des Bauherrn wertlos macht. |
Warum werden Architekten oft in Regress genommen?
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Die Frage nach dem Grund für die Häufigkeit der Regressansprüche gegen Architekten und Ingenieure lässt sich sehr einfach beantworten: |
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Eine Berufshaftpflicht ist verpflichtend für den Berufsstand. Der Bauherr hat somit also die Sicherheit, dass nach der Durchsetzung seiner Forderungen auch Geld für deren Begleichung zur Verfügung steht. Bei einem insolventen Bauunternehmer sieht dies ganz anders aus. |
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Ein Architekt haftet länger für seine Arbeit als der Bauunternehmer. Die Phase 9 der Objektbetreuung dauert an sich bereits bis zu 5 Jahre und die Haftung zieht sich danach noch einmal 5 Jahre hin. Somit können Architekten und Ingenieure also auch deutlich länger in Regress genommen werden. |
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Änderungen für Architekten durch Gesetzesentwurf
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Welche Änderungen ergeben sich durch den Gesetzesentwurf für Architekten? Der Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ (BGB-RE) vom 10.09.2015 sorgt nach fachkundiger Meinung von Juristen für einige interessante Änderungen in Bezug auf Architekten und Ingenieure:
• Transparenz: Vertragstypische Pflichten sollen verbindlich formuliert werden und so rechtliche Klarheit schaffen. Somit wird quasi der Architektenvertrag als rechtliches Konstrukt im BGB verankert.
• Gesamtschuldverhältnis: Ein Bauherr soll den Architekten erst dann auf Schadenersatz in Anspruch nehmen können, wenn er dem Bauunternehmer eine angemessene Frist gesetzt hat. Für Architekten ist dies eine der wichtigsten Änderungen, da sie nicht mehr wie selbstverständlich als Gesamtschuldner haften und später den Bauunternehmer in die Pflicht nehmen müssen.
• Teilabnahme: Eine weitere positive Veränderung für Architekten und Ingenieure ist die Einführung einer Teilabnahme ab der Abnahme der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmers.
Als nachteilige Änderung für den Berufsstand ist das Sonderkündigungsrecht des Bauherrn (Bestellers) nach der Zielfindungsphase zu sehen. Dies schafft Unsicherheiten in Bezug auf Aufträge. Es dürfte jedoch interessant sein, wie sich die neuen Regelungen in der Praxis durchsetzen. Als frühester Geltungstermin gilt aktuell Januar 2017. |
Änderungen in Bezug auf die Berufshaftpflicht?
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Könnten sich Änderungen in Bezug auf die Berufshaftpflicht ergeben? - Die Berufshaftpflichtversicherung für Architekten & Ingenieure prüft die Ansprüche im Zuge der Betriebshaftpflicht auf Rechtmäßigkeit und zahlt entsprechend Schadenersatz. Natürlich ist die Versicherungsgesellschaft dabei stets bestrebt, den Schaden möglichst gering zu halten. Durch die neuen Regelungen zum Gesamtschuldverhältnis zwischen Architekt/Ingenieur und Bauunternehmer könnten mittelfristig die Prämien für die Versicherung sinken. Die Gesellschaften müssen im Idealfall weniger Geld für Rechtstreitigkeiten ausgeben und können somit einen Teil der Kostenersparnis an ihre Versicherten weitergeben. |
Fazit
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Der neue Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ (BGB-RE) verbessert zum einen den Verbraucherschutz. Bauherren können sich auf eine bessere Aufklärung und Beratung berufen und ihre Schutzrechte lassen sich zudem nicht nachteilig auslegen. Zum anderen können jedoch auch Architekten und Ingenieure als Bauplaner mit positiven Änderungen rechnen. So müssen Bauherren bei Schadenersatzansprüchen dem Bauunternehmen zunächst eine Frist setzen und dürften erst nah fruchtlosem Verstreichen den Architekten in Regress nehmen. Nun bleibt noch abzuwarten, ob dieser Gesetzesentwurf das parlamentarische Verfahren ohne große Änderungen übersteht und spätestens 2017 verbindlich ist. (10.11.2015) |
Quellen:
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Berufshaftpflicht: Ja oder nein?
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